Lokalisierung als Förderansatz

Unter Lokalisierung versteht die Somaha Stiftung die Stärkung von Organisationen und Gemeinschaften vor Ort durch die Erhöhung von deren Selbständigkeit und Selbstbestimmung. Dazu gehören die Entwicklung und Anwendung von inhaltlichen/fachlichen, organisatorischen und finanziellen Kompetenzen – direkte Partnerstärkung durch Befähigung und Ermächtigung – sowie die Entwicklung des Kontexts von Organisationen und Gemeinschaften zu deren Unterstützung – indirekte Partnerstärkung durch Veränderung der Rahmenbedingungen.

Lokalisierungsansatz der Somaha Stiftung

Ein wichtiger Wert der Somaha Stiftung ist die Nachhaltigkeit. Die Stiftung ist überzeugt, dass nur starke, selbständige und selbstbestimmte Organisationen und Gemeinschaften vor Ort ökonomisch nachhaltig tätig sein können. Um viel zu bewirken, setzt sich die Somaha Stiftung deshalb für die starke Einbindung lokaler Organisationen und Gemeinschaften ein. Insofern ist Lokalisierung für die Somaha Stiftung ein Ansatz zur Maximierung ihrer Wirkung im Sinn des Stiftungszwecks.

Das Konzept der Lokalisierung stammt ursprünglich aus der humanitären Hilfe (vgl. Kasten). Die Somaha Stiftung wendet dieses in all ihren drei Themen an, d.h. bei ihrer Unterstützung von Menschen in Not, bei ihrem Einsatz für eine offene und vielfältige Gesellschaft sowie bei ihrem Engagement für den Schutz der Natur vor Ausbeutung und Zerstörung.

Die Somaha Stiftung fördert Schweizer Organisationen bei der Lokalisierung. Dabei unterstützt die Stiftung ihre Förderpartner bei der Entwicklung von Konzepten und Instrumenten zur Lokalisierung sowie bei deren Anwendung in der Befähigung und Ermächtigung von (Partner-) Organisationen und Gemeinschaften vor Ort. Insofern ist Lokalisierung ein Prozess.

Der Grad der Lokalisierung ist Ausdruck des Fortschritts in diesem Prozess. Insofern ist die Lokalisierung Ausdruck des Stands und der Art der Zusammenarbeit von internationalen Nichtregierungsorganisationen (INGOs) mit Organisationen bzw. Gemeinschaften vor Ort.

Lokalisierung in der humanitären Hilfe

Unter Lokalisierung wird in der humanitären Hilfe ein Prinzip verstanden, welches als Teil des Grand Bargain am World Humanitarian Summit 2016 verabschiedet wurde. Lokalisierung soll die Effektivität und Effizienz des humanitären Systems durch die Stärkung der Rolle sowie der direkten und langfristigen Finanzierung lokaler Akteure und Organisationen steigern.
Dies erfordert eine Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf die lokale Ebene. Eine humanitäre Massnahme gilt erst dann als «lokalisiert», wenn lokale Akteure in allen Phasen eines Projekts voll eingebunden sind, dieses möglichst sogar leiten. Für die Lokalisierung sind demnach die Dezentralisierung der Macht und die Entscheidungsbefugnis lokaler Akteure wesentlich.

Die nachfolgende Tabelle zeigt das Spektrum möglicher Ausprägungen der Lokalisierung.

Lokalisierungsmodell

Ebene der Organisationen und Gemeinschaften

Zusammen mit ihren Förderpartnern verfolgt die Somaha Stiftung das Ziel, Organisationen und Gemeinschaften vor Ort so zu stärken, dass sie über alle für ihre Selbstständigkeit notwendigen inhaltlichen/fachlichen, finanziellen und organisatorischen Fähigkeiten verfügen (Befähigung). Ebenso wichtig ist, dass die Organisationen und Gemeinschaften vor Ort mit INGOs partnerschaftlich und auf Augenhöhe zusammenarbeiten (Ermächtigung).

Befähigung umfasst die Entwicklung von Fähigkeiten lokaler Organisationen und Gemeinschaften in drei Bereichen:

  • Inhaltliche/fachliche Fähigkeiten ermöglichen die selbständige Umsetzung von Projekten vor Ort.
  • Finanzielle Fähigkeiten umfassen Kompetenzen in den Bereichen Buchhaltung, Finanzplanung und Mittelbeschaffung. Finanzielle Selbständigkeit bedeutet dabei nicht zwingend, gänzlich ohne externe Förderung auszukommen, sondern nicht von einzelnen Geldgebern existenziell abhängig zu sein.
  • Organisatorische Fähigkeiten umfassen Management- und Führungsqualitäten, insbesondere die Fähigkeit zum Aufbau einer zweckdienlichen Organisation und entsprechender Prozesse.
    Durch die Förderung dieser drei Bereiche kann eine ganzheitliche Stärkung lokaler Fähigkeiten und Ressourcen erreicht werden.

Oft besteht eine wesentliche Abhängigkeit lokaler Organisationen von INGOs. Daraus resultieren unausgewogene Machtverhältnisse. Lokalisierung umfasst deshalb neben der Befähigung lokaler Organisationen auch deren Ermächtigung. Das bedeutet einen Einbezug lokaler Organisationen sowohl in die Mittelbeschaffung als auch in die Mittelverwendung. Letztere erfolgt unter anderem für Projekte in deren folgenden Phasen:

  • Projektinitiierung: Bedarfsermittlung, Konzipierung, Erarbeitung von Grundlagen sowie Identifikation und Sicherung der notwendigen Ressourcen.
  • Projektplanung: Erstellung eines detaillierten Projektplans und Definition der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.
  • Projektumsetzung: Durchführung der eigentlichen Projektarbeiten.
  • Projektüberwachung: Protokollierung und Bewertung des Projektfortschritts.
  • Projektabschluss: Abschluss und Evaluation des Projekts.

Voraussetzung für eine vertrauensbasierte Partnerschaft von Organisationen und Gemeinschaften vor Ort mit INGOs auf Augenhöhe sind gegenseitiges Verständnis und Rechenschaftspflicht sowie eine offene und ehrliche Kommunikation. Für INGOs kann die Ermächtigung ihrer Partner vor Ort bedeuten, Kompetenzen abzugeben und sich selber sowie ihre Rolle in der Zusammenarbeit neu definieren zu müssen.

Ebene der Rahmenbedingungen

Lokale Rahmenbedinungen sind entscheidend dafür, dass gefestigte Organisationen entstehen und sich weiterentwickeln können (Ermöglichung). Damit haben sie einen grossen Einfluss auf die Selbständigkeit und Selbstbestimmung von Organisationen und Gemeinschaften vor Ort.

Besonders relevant sind die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Diese umfassen die formalen Normen und Regeln sowie die politischen Strukturen und Praktiken in einer Gesellschaft, welche die Interaktionen zwischen Individuen, Gruppen und Organisationen bestimmen. So kann beispielsweise die Gründung von Organisationen durch bürokratische Hindernisse erschwert oder durch Rechtssicherheit erleichtert werden.

Gesellschaftliche Prozesse beschreiben die sozialen Interaktionen und Verhaltensmuster einer Gesellschaft: Für eine erfolgreiche Lokalisierung ist die Akzeptanz und das Engagement der Organisationen und Gemeinschaften vor Ort entscheidend. Die Beteiligung dieser Akteure an lokalen, nationalen und internationalen Entscheidungen und Diskursen ermöglicht es, die Sichtweisen der betroffenen Gemeinschaften einzubringen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, am Wissenstransfer teilzunehmen: Dabei geht es um den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Expertise sowie den Aufbau von Netzwerken, die Organisationen und Gemeinschaften vor Ort in ihrer Selbstständigkeit unterstützen.

Eine aktive Mitgestaltung der Rahmenbedingungen kann es lokalen Akteuren ermöglichen, ihre Entwicklungsprozesse selbstbestimmter zu gestalten und ihre Handlungsspielräume zu erweitern.

Lokalisierungsgrade

Auf der Ebene der Organisation bzw. Gemeinschaft folgt das Lokalisierungsspektrum der Logik eines Reifegradmodells. Das Modell beschreibt den Entwicklungsstand von Organisationen, Prozessen oder Projekten auf der Grundlage bestimmter Kriterien und teilt diesen in verschiedene Stufen ein. Mit dem Spektrum des Somaha Lokalisierungsmodells kann der Fortschritt des Lokalisierungsprozesses dargestellt werden. Dieser kann auf den verschiedenen Ebenen unterschiedlich sein. Beispielsweise können die Rahmenbedingungen der Entwicklung von Organisationen vor Ort zwar förderlich sein, eine Ermächtigung derselben findet aber aufgrund eines stark asymmetrischen Kräfteverhältnisses mit INGOs nur begrenzt statt. Umgekehrt ist es denkbar, dass auf der Ebene der Organisationen alle Voraussetzungen für deren Entwicklung gegeben sind, die Rahmenbedingungen dieser aber entgegenstehen.